Wer tummelt sich eigentlich im Fachnetzwerk NEGZ? Davon vermitteln wir anhand kurzer Interviews mit NEGZ-Mitgliedern regelmäßig einen Eindruck. Dabei geht es um ihre Geschichte in der digitalen Verwaltung, ihre Interessen — und natürlich das NEGZ.
Wer sind Sie und was haben Sie mit dem Thema der digitalen Verwaltung zu tun?
Mein Name ist Nicole Röttger und mich begeistert es, die Vorteile agiler Arbeitsweisen für alle Organisationen zugänglich und nutzbar zu machen. Denn agile Arbeitsweisen sind heute nicht mehr ausschließlich in der IT und in Startups zu finden, sondern werden auch für die öffentliche Verwaltung immer relevanter und interessanter. Ich kenne sowohl die klassische Arbeitswelt als auch die Welt der Startups aus eigener Erfahrung und so kann ich zwischen beiden Welten Brücken bauen.
Als Geschäftsführerin der Apiarista GmbH verfolge ich daher gemeinsam mit Tal Uscher als Mitgeschäftsführer unsere Mission, Organisationen des öffentlichen Sektors für die Herausforderungen der heutigen Zeit und der Zukunft fit zu machen.
Dafür setzen wir auf die Entwicklung geeigneter Strukturen, gestalten und begleiten den passenden Weg in Form eines nachhaltigen Transformationsprozesses und setzen auf die Befähigung der Mitarbeiter:innen der jeweiligen Organisationen. Unsere Expertise liegt in der Kombination von agilen und bewährten Methoden sowie in der Übertragung der Methoden in den Kontext der öffentlichen Verwaltung. Unsere Arbeit ist zudem geprägt von der festen
Überzeugung, dass wahre Veränderung nicht nur in Worten, sondern vor allem in Taten und der Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren und interagieren, zum Ausdruck kommt.
Für uns ist die Digitalisierung im Übrigen nicht allein eine Frage der Technik. Am Ende ist die Technik die kleinere Herausforderung. Wir verbinden deshalb mit einer digitalen Verwaltung eine moderne Verwaltung mit Strukturen und Prozessen, die Innovation aber auch stabile Dienste ermöglichen, sowie eine Kultur einer lernenden Organisation. Um eine echte Modernisierung der Verwaltung realisieren zu können, braucht es mutige Menschen, die das vorantreiben und mittragen. Technik ist dabei eher das Hilfsmittel und Vehikel für Modernisierungsinitiativen
Wie sind Sie zur Verwaltungsdigitalisierung gekommen?
Meine Leidenschaft für die Verwaltungsdigitalisierung begann während meines Public Management Studiums. Kern des Studiums war die Modernisierung des öffentlichen und dritten Sektors durch Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente und deren Adaption für den Kontext der öffentlichen Strukturen. Aufgrund mehrfacher Ausflüge in die Startup-Welt – u.a. als Mitarbeiterin und als Coach – habe ich mir ein zusätzliches Set an Methoden und vertiefende Einblicke in technische Innovationen angeeignet. Durch diese Kombination ist die Gestaltung der Verwaltungsdigitalisierung quasi für mich prädestiniert.
Ich habe in meiner Arbeit einen besonderen Fokus auf die Menschen sowohl auf der Seite der Nutzer:innen und Kund:innen als auch auf der Seite der Mitarbeiter:innen und Führungskräfte.
Wie erklären Sie einem Fünfjährigen, was Sie machen?
Eine wunderbare Frage! Ich bin ja nicht nur Betriebswirtin, Verwaltungswissenschaftlerin und Imkerin sondern auch staatlich anerkannte Pädagogin. Insofern ist die Frage für mich doppelt interessant. Die Sicht von Kindern auf die Welt finde ich immer wieder erfrischend. Erst letzten Sonntag habe ich einen vergleichbaren „Fachdialog“ mit einem Dreijährigen geführt.
So würde ich unsere Arbeit erklären: Stell dir Apiarista wie einen Baumeister für Bauklötze vor. Stell dir außerdem vor, jemand will etwas bauen und kennt bisher nur, wie man einen einfachen Turm baut. Apiarista zeigt dieser Person und seinem Team, wie sie nicht nur höher stapeln, sondern auch neu anordnen können, Brücken, Wege und sogar geheime Türen zwischen seinen Klötzchen bauen können. Wir bringen neue Ideen ein, wie man mit den Klötzen spielt, neue Muster und Farben hinzufügt, und manchmal sogar neue Klötze selbst gestaltet.
Mit Bauklötzen kann man unendlich viele Dinge und Welten erschaffen. Nicht jeder traut sich, ungewöhnliche Ideen auszuprobieren und zu schauen, was sich beim Ausprobieren zeigt und was man daraus lernen kann. Apiarista hilft Menschen und Organisationen dabei, mit ihren eigenen Bauklötzen Neues und manchmal für sie Ungewöhnliches zu gestalten, indem sie die Art und Weise, wie sie mit ihren „Klötzen“ arbeiten, neu und anders denken lernen, verbessern oder einfach anders kombinieren.
Doch Apiarista geht noch weiter. Wir fördern nicht nur den Bau, sondern auch die Baumeister – also die Menschen in einer Organisation selbst. Wir vermitteln Ideen, und bringen ihnen den Umgang mit unterschiedlichen Werkzeugen bei. So können die Menschen, mit denen wir arbeiten, auch allein aus einem gewöhnlichen Turm aus Bauklötzen ein vielfältiges und bunteres Bauwerk voller Möglichkeiten entwickeln. Wir sorgen aber auch dafür, dass Lernen und Ausprobieren allen Spaß macht.
Was hat Sie im E-Government zuletzt begeistert?
Das OZG war und ist eine ziemliche Herausforderung für alle föderalen Ebenen. Erst wurde viel Zeit verschenkt – es bestand bei vielen die Hoffnung, dass dieser Kelch vielleicht doch an ihnen vorbei gehen würde – und dann musste die Zeit irgendwie wieder aufgeholt werden. Ein schwieriges und kraftaufwändiges Unterfangen. In Mecklenburg Vorpommern haben wir einen anderen Ansatz vorgeschlagen und man hat sich im zuständigen Ministerium auf diese durchaus für Verwaltung fremdartige Vorgehensweise eingelassen. Wir haben die OZG Fabrik, also eine komplexe Programmstruktur inkl. Prozessen, Gremienarbeit und Rollendefinitionen sowie die nutzerzentrierte Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in einer prototypischen Variante getestet. So haben wir sehr schnell Erkenntnisse auf risikoarmem Niveau gesammelt und damit die skalierte Fassung vorbereitet. Darauf muss man sich als Verwaltung mit hohem Druck einlassen. Das haben die Kolleg:innen gemacht und sie waren berechtigterweise auch begeistert von den Ergebnissen, die sie in so kurzer Zeit generiert haben.
Zu welcher Frage wünschen Sie sich mal eine NEGZ-Kurzstudie?
Die agilen Arbeitsweisen sind der „neue heiße Scheiß“ in immer mehr Verwaltungen. Immer häufiger werden interne Bereiche aufgebaut, die Anwendung agiler Arbeitsweisen in den anderen Abteilungen unterstützen sollen. Ich bin eine große Befürworterin der agilen Methoden und dem damit verbundenen Mindset. Ich weiß aber auch, dass eine 1:1 Übertragung der größtenteils aus der Softwareentwicklung entstandenen Methoden für die öffentliche Verwaltung wenig Sinn macht. Es sind definitiv Adaptionen erforderlich, mindestens um dem Umstand gerecht zu werden, dass Verwaltungen immer eine Mischform aus klassischen Modellen und agilen Modellen sein werden. Vor diesem Hintergrund muss auch von einem anderen Einführungstempo und ggf. anderen Effekten ausgegangen werden.
Neben meinem persönlichen Erleben und meinen eigenen Erfahrungen würde mich daher interessieren, ob sich die gewünschten Effekte für die Beteiligten einstellen, wie das agile Mindset in die Organisationen hinein wirkt und wie in diesem Zusammenhang mit den hybriden Organisationsformen umgegangen wird. Diese Erkenntnisse könnte man vermutlich auch gut für den weiteren Umgang mit KI in der Verwaltung nachnutzen.
Welche eine Sache im deutschen E-Government würden Sie sofort ändern, wenn Sie könnten?
So platt es klingt, aber ein Modell wie in Estland fänd‘ ich wunderbar – ein einziges digitales und einfaches Portal für mich als Bürgerin mit allen für ein Bürger:innenleben relevanten und einfach gestalteten Verwaltungsleistungen, mit denen ich mich möglichst kurz befassen muss. Und wenn ich mich damit befassen muss, dann möchte ich es verstehen – einfach und verständlich. Am liebsten würde ich alles, was nur irgendwie nach Formular aussieht, abschaffen. Formulare lösen in mir schon rein visuell immer Frustration aus.
Warum würden Sie eine Mitgliedschaft im NEGZ empfehlen?
Im NEGZ gibt es viele Möglichkeiten für informellen und fachlichen Austausch und es werden viele relevante Informationen geteilt. Im NEGZ gibt es darüber hinaus für alle Interessierten die Möglichkeit der Mitgestaltung. Es ist aus meiner Sicht ein Netzwerk mit viel Dynamik und Ideenpotenzial.
Ich gehöre allerdings noch zu den Frischlingen im NEGZ, daher gibt es noch sehr vieles zu entdecken und Eindrücke zu sammeln.. Was ich allerdings bereits toll fand, war die Zusammenarbeit für einen Artikel im Arbeitskreis Design Thinking. Kurzfristiges digitales Treffen, spontane Sympathie, pragmatischer Vorgehensansatz und los ging’s. Der Artikel war relativ schnell fertig und hat sogar dazu geführt, dass ein umfangreicheres NEGZ Paper daraus wird. Es kommen verschiedene Perspektiven und Erfahrungshintergründe in einem Team zusammen, obwohl wir unterschiedlichen Organisationen angehören. So etwas begeistert mich!
Stellen auch Sie sich und Ihre Gedanken bei „Ins Netzwerk gefragt“ vor! Wer Mitglied im NEGZ oder Angehörige:r einer NEGZ-Mitgliedsorganisation ist, kann unseren Fragebogen sofort ausfüllen.