Vollzugsorientierte Gesetzgebung durch eine Vollzugssimulationsmaschine

Tino Schuppan, Stefanie Köhl, Thomas Off

2018 | NEGZ-Kurzstudie 1

DOI 10.30418/2626-6032.2018.01


Guter Vollzug beginnt bei der Gesetzgebung. In Deutschland werden grundsätzlich Gesetze vom Bund  erlassen und durch die Länder / Kommunen ausgeführt. Diese föderale Arbeitsteilung neigt dazu, dass Gesetze häufig nicht so formuliert sind, dass sie gut ausführbar wären. Auch beim Bund selbst ist der Gesetzgebungsprozess nicht so strukturiert, dass dieser unbedingt eine gute Vollzugsfähigkeit sicherstellt. So wird beispielsweise der Bundesrat viel zu spät an der Gesetzgebung beteiligt, um hier noch durch gesetzliche Änderungen eine verbesserte Vollzugsfähigkeit sicherstellen zu können. Die gesamte Struktur und Kultur der Gesetzgebung ist so angelegt, dass „gute Gesetze“ sich an einseitig juristischen Maßstäben messen lassen. Die Vollzugsfähigkeit spielt allenfalls eine Nebenrolle und wird mehr oder weniger indirekt durch die Verpflichtung der Ministerien zur Ausweisung des Erfüllungsaufwands und dessen Überwachung durch den Normenkontrollrat umgesetzt.

Die strukturellen und verfahrensmäßigen Mängel, die einer Vollzugsorientierung heute entgegenstehen, können durch moderne Methoden der Ablaufgestaltung und der Informatik überbrückt werden. So ist zunächst der Gesetzgebungsablauf so zu gestalten, dass in einer frühen Phase der Gesetzgebung bereits Vollzugsvarianten (durch so genannte Prozessmodelle) entwickelt werden, so dass systematisch schon die (Kosten-)Wirkungen unterschiedlicher Vollzugsmodelle abgeschätzt werden können. Auch sind Vollzugsexperten aus den Ländern und Kommunen besser in einer frühen Phase der Gesetzgebung einzubeziehen, um nur einige Aspekte von Verfahrensinnovationen zu nennen.

Neben diesen Verfahrensinnovationen sind diverse informatiknahe Methoden geeignet, die Lücke zwischen Gesetzgebung und Vollzug reduzieren, die am Stein-Hardenberg-Institut in ersten Grundzügen erarbeitet wurden. Diese Informatikmethoden erlauben u.a. eine Simulation des Gesetzesvollzugs, so dass Gesetzgebungsreferenten wie auch die Politik frühzeitig über mögliche Kostenwirkungen informiert sind, ohne selbst unbedingt Vollzugsexperten sein zu müssen. Voraussetzung ist, dass der Gesetzestext mit seinen Begriffen auf einer konsistenten Ontologie (Begriffe, denen eine festgelegte Bedeutung zugeordnet wird) basiert, z.B. Antragsteller, Einkommen, Kind etc. Im Entwurf des Gesetzestextes selbst erfolgt dann die Zuordnung von Bedeutungen durch eine so genannte Annotation, d. h. es folgen semantische Hinzufügungen, durch welche die Bedeutung eines Textes hergestellt wird. Jede vollzugsrelevante Textpassage wird einem bestimmten Prozessbaustein für den Vollzug zugeordnet (annotiert), so dass eine Verbindung zwischen formuliertem Gesetzestext und Vollzug möglich wird. Im Ergebnis muss ein Gesetzgebungsreferent nicht unbedingt ein kommunaler Vollzugsexperte sein, sondern die Werkzeuge unterstützen ihn, so dass diese in den „normalen Gesetzgebungsprozess“ von Anfang an eingebaut, d. h. integriert sind.


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